Herr im Ring
Aus irgendeiner geheimen Ecke hatte sich Chico gestern ein Stück Ochsenziemer organisiert. Vermutlich ohne wissen des vorherigen Besitzers. Nun knusperte er voll Inbrunst darauf rum, während drei andere Interessenten hungrig und sabbernd daneben saßen und hofften, dass er das Interesse an der Sache verlieren würde.
Weit gefehlt, freiwillig gibt er nichts wieder her und von den anderen wagt es keiner, sich mit ihm anzulegen. Obwohl der Mückerling in der Runde, hat er unzweifelhaft das Zepter in der Pfote und wütet gegen jeden, wenn ihm was nicht passt.
Problematisch wird es hin und wieder auf der Straße, wenn andere noch nicht wissen, dass Chico der Herr aller Ringe ist und sie sich respektvoll zurückzuziehen haben. Manches Mal ist schnelles Eingreifen erforderlich, damit ihm nach einem seiner Wutanfälle nicht das Fell über die großen Ohren gezogen wird. Allerdings bewirkt das erfahrungsgemäß nichts! An den nächsten Ecke macht er sich zügig über den nächsten Bullterrier, Dogge, Dobermann was auch immer, her. Hauptsache, der Gegner ist um ein vielfaches größer als er. Vor längerem schon hatte er sich mal an einer Herde ausgewachsener Galloways versucht, die ihn jedoch nach der ersten Attacke zwischen den Grashalmen nicht mehr wiederfinden konnten. Um das Gatter hat er dann zwei Tage lang rein vorsorglich einen großen Bogen gemacht.
Es gibt eine amüsante Geschichte aus Guareschis Don Camillo, Titel: Die rabiate Giannona! Sie handelt von Alfredo, dem Dorfdrogist, der regelmäßig Ohrfeigen und mehr von seiner angetrauten Giannona erhält. Die nachstehende Passage trifft es:
„Don Camillo wollte ihn (Alfredo) ermahnen, keine Dummheiten zu begehen und die Sache nicht noch mehr zu komplizieren. Dann aber betrachtete er den kleinen, mageren Kümmerling, dachte an die gewaltige, überlebensgroße, wutentbrannte Giannona …….“
Nur ist es hier umgekehrt: Der kleine Kümmerling ist regelmäßig wutentbrannt und verprügelt meist mit Erfolg alle anderen. Im eher seltenen Fall des Misserfolgs verlässt er sich darauf, dass ihm schon jemand zu Hilfe eilen wird.
Das erinnert an Black Jack, ein etwas zu klein geratener Dackel, der ebenfalls an suizidähnlicher Selbstüberschätzung litt. In seiner Straße gab es eine Dogge, eines seiner beliebten Opfer, die er bei jeder sich bietenden Gelegenheit gnadenlos niederpöbelte. Eine ganze Weile hatte sie ihn ignoriert, was Black Jacks Wut noch mehr anstachelte. Eines Tages dann hatte die Dogge doch genug von dem Gezeter. Seit dem Tag hatte Black Jack eine zehn Zentimeter breite kahle Stelle im Bürzel. Was ihn nicht daran gehindert hat, noch mit dem Verband dran schon wieder Streit zu suchen.
Glücklicherweise war das alles noch in der Vorhundeverordnungszeit. Heutzutage wäre Black Jack ein krimineller Provokateur und die Dogge wäre kurzerhand auf der Liste gelandet. Denn wir wissen inzwischen: Das Gesetz kennt keinen Spielraum! Es gibt Ordnungsämter, die schon Pekinesen als gefährlich einstufen, wenn sie nur irgend jemanden auf der Straße ankläffen.
Wobei das besonders Ärgerliche ist, dass die Einstufungen, auch einer Rasse, nicht etwa nach fundierten wissenschaftlichen Erkenntnissen vorgenommen werden, sondern „frei Schnauze“, wie man am Biertisch sagen würde. Also nach Lust und Stimmung.