Wer seinen Hund liebt kennt das
Nachstehender „Tatsachenbericht“ stammt aus der digitalen Feder von Antje Hachmann
Jeder, der Hunde mit lustigen Charaktereigenschaften hält, kennt diese Blicke. Blicke von Mitmenschen, die einem entweder sofort direkt die Einweisung in eine geschlossene Anstalt bescheinigen oder einem suggerieren, dass man der größte Zauberkünstler auf dem Erdball ist. Meistens beim Spaziergang mit den doch ziemlich geliebten Hunden. Der Galgo hat mir ja nicht nur über mich einiges beigebracht. Natürlich erst, nachdem ich wirklich komplett verzweifelt und überfordert war mit dieser Katze, die sich im falschen Tierkörper befand. Irgendwie beschleicht mich bei meinen Tieren, egal ob Hund oder früher die Pferde, das Gefühl dass diese einen grundsätzlich immer erst an den Rand vom Wahnsinn bringen. Dann erst beginne ich als Halter wirklich zu lernen – wenn ich nicht vorher die innerliche Kündigung geschrieben habe.
So war der Galgo immer völlig unbrauchbar, wenn ich mal zu laut gesprochen habe. Meistens hab ich mal gebrüllt oder zumindest in Erregung lauter gesprochen wenn der wieder irgend nen Bockmist veranstaltet hat. Für mich war dieses Verhalten völlig legitim. Der Galgo sah das allerdings völlig anders, denn das Personal hat stets Haltung und Contenance zu bewahren. Egal ob das edle Tier gerade Laune hatte Sprengsätze in Hasen zu werfen, in gesamter Klapperknochenpracht auf einem Tisch stehend Braten zu verzehren oder wie schon beschrieben ein Auto von innen zu zerlegen.
An einem der Wohnorte, wo ich mit dem Prototyp der Mangelernährung einmal lebte, gab es vor dem Haus Straßenbahnschienen. Nichts weiter Aufregendes. Allerdings hatte ich nicht mitbekommen, dass das spanische Knochengesocks tatsächlich nach kurzer Zeit sehr genau wußte, wann da eine Bahn fährt und wann nicht. Ich selbst konnte es mir nicht gut merken, allerdings kann ich mir auch schlecht Namen merken. Für mich also nicht wirklich ungewöhnlich dass ich die wildlebenden Straßenbahnen nicht wirklich gut in ihrem Stundenplan kannte.
Es war winterlich an diesem einen Tag. Im Hause neben mir wohnten Menschen, die sich im Tierschutz engagierten. Die hatten auch ein Auto, so einen kleineren Van. Der wurde Samstags immer gereinigt und die Klappen standen sperrangelweit offen. Man kannte sich vom vorbeigehen und grüßte immer freundlich. Dem Galgo passte das Wetter an diesem besagten Tag, einem Samstag, überhaupt nicht. Solange nichts zum Jagen in Sicht war, bestand mein Galgo nämlich aus Zuckerwatte und ist im Regen geschmolzen. Sofort.
An der Leine hinter mir her gezogen schleppte ich also das Dekorationswunder aus der Haustür. Direkt in den giftigen Niesel. Meine anderen Nachbarn konnten sehen, wie jeder Regentropfen den armen Hund Stück für Stück auflöste. Ich dagegen wurde immer ungehaltener. Das Vieh war schon abends nicht raus gegangen – zuviel Regen, Wind, dunkel und überhaupt. DER MUSS MAL. Mit wachsendem Groll zog ich den Köter hinter mir her, quetschte ein „Guten Morgen.“ beim passieren der Tierschutz-Nachbarn, die ihr Auto reinigten, aus dem Mundwinkel. Zack – stand ich mit einer baumelnden Leine auf dem Bürgersteig und der Galgo schoss an mir vorbei. Hase auf zehn Uhr.
Mit so ein bisschen Emotion im Bauch schreit es sich doch recht passabel und ich hatte das Glück, dass der Galgo erst wenige Meter weit gekommen war. Also erschallte meine liebliche Stimme quer durchs Dorf, dass die Glockentürme der Kirche bebten. „GOMEZ! ALTAAAA!!!!“ Tatsächlich beeindruckt bremste der Galgo und stand auf den Schienen der Straßenbahn. Wütend schipperte ich dem Vieh entgegen (der hat immerhin angehalten. Als ob der jetzt freiwillig zu mir kommt. Wenn ich wütend bin. Der wusste immer, was die Uhr geschlagen hat.).
Wider besseren Wissens brüllte ich den an, als ich in Griffnähe war. Fehler. Wie sich herausstellte. Mit einem theatralischen Krächzen, Blick in Fahrtrichtung der Straßenbahn, die gleich kommen musste, brach das Kackvieh auf den Schienen zusammen. Die gesamte Kreuzung, gespickt mit Nachbarn, Spaziergängern und Marktbesuchern, spielte großartig Freeze. Jeder blieb stehen und starrte uns an. Mich, die den armen, dünnen Hund so angeschrien hatte, dass der quer auf den Schienen lag. Der arme, dünne Hund, der bereit zum Sterben vor meinen Füßen lag. Heimlich in sich rein grinsend. „Jetzt lass diese Scheisse sein, Gomez!“ Immerhin kriegte ich die Wut in der Stimme ein wenig unter Kontrolle. Click an den Halter, Keks gibt’s später. Der Galgo bekam es auch mit, stand auf und spurtete zu den Tierschutz-Nachbarn. Die waren übrigens schon köstlich amüsiert – die kannten die Show schon. Mit einem Satz saß der Galgo in deren Auto und starrte mich aus dem trockenen Laderaum an. Das restliche Publikum an der Kreuzung murmelte was von „Recht so, da ist der Hund besser aufgehoben. Was für eine schreckliche Besitzerin, der arme Hund. Und guck mal wie dünn der ist. Furchtbar.“ Sowas hebt im Allgemeinen nur die Laune des Hundes – meine näherte sich dem Gefrierpunkt von Quecksilber.
„Sollen wir den gleich eben mitnehmen zum Platz? Ist glaub ich sicherer für euch beide, oder?“ fragten die Tierschutz-Nachbarn. Die hatten es ja drauf. Der Galgo feierte eine Party im Kopf – erst Frauchen endgeil verarscht und dann darf ich noch zu den Kumpels auf die fette Wiese. Läuft!
Mit dem wachsenden Wunsch, die Töle einmal (Bitte! Nur EIN MAL!) an den nächsten Baum zurück zu hängen, willigte ich ein. War wirklich besser. So hatte der Galgo nen geilen Vormittag im Regen – aber mit anderen verstrahlten Windhunden – und kam völlig glücklich und vor Dreck starrend mittags wieder zu mir. Meine Rache des kleinen Mannes war dann die Dusche. Danach hatten wir uns wieder lieb, der Galgo und ich.
Bild: Der König der lebenden Anatomiekunde. Röntgen mit Taschenlampe möglich und üble Nachrede bezüglich nicht erfolgter Fütterung bekommt man bei so einem Windigen gratis dabei. Ehrlich.
Gomez (2000 – 2011) Foto: Antje Hachmann
von Antje Hachmann